Wir sind alle nur Menschen. Haben eine begrenzte Aufmerksamkeitsspanne, eine ablenkbare Wahrnehmung und neigen in komplexen Situationen dazu, unsere Aufmerksamkeit auf wenige Aspekte einzuengen. In medizinischen Notfällen kann das schnell fatal werden. Was wissen wir eigentlich darüber, wie Fehler in komplexen Situationen entstehen, welche Rolle „human factors“ dabei spielen und was man tun kann, um solche Fehler zu vermeiden?
Wir haben zu Gast im PsychCast meinen guten Freund Stefan. Er ist Polizei-Hubschrauber-Pilot, Fluglehrer und aufgrund dieser täglichen Arbeit per Du mit den üblichen human-factors. In unserem außerordentlich interessanten Gespräch erfahren wir sehr viel über die Einstellung von Piloten zu Fehlern und die in den letzten Jahrzehnten entstandene Fehlerkultur in der Luftfahrt. Der Transfer in die Medizin ergibt sich praktisch von selbst. Hört euch die Folge unbedingt mal an und überlegt, welche guten Praktiken ihr in euren Bereich übernehmen könntet!
Bevor Du diese Episode des PsychCasts hörst, solltest Du unbedingt dieses 15-minütige Video ansehen. Es zeigt, wie eine Routineoperation in der Medizin durch eine Verkettung von Fehlern zum tragischen Tod einer Patientin führt. Wir nehmen dieses Video im PodCast als Ausgangspunkt unserer Besprechung, wie Fehler in der Medizin entstehen und was man dagegen tun kann. Das Video ist allerdings unangenehm, da es ziemlich plastisch in nachgespielter Form zeigt, wie eine Routineoperation in den Tod münden kann.: https://www.youtube.com/watch?v=JzlvgtPIof4
Hallo Alex & Jan, das verlinkte Video hat ziemliches Potenzial Ängste auszulösen oder zu verstärken (z.B. wenn man vielleicht selbst gerade eine OP vor sich hat) – könntet ihr vielleicht kurz zum Link ergänzen, worum es geht? Dann trifft es einen nicht so unvorbereitet…
Habe mich gefragt, was die Überschrift „human factors“ bedeutet, weil es keine Umgangssprache ist. Das Thema ist ziemlich heftig. Besonders das Video schürt nicht gerade Vertrauen in Operationen mit Anästhesie, wie Jonas schrieb.
Danke für den Hinweis, ich habe das Video nun besser eingeleitet und so eine Art Vorbereitung oder Warnung geschrieben. Auch den Titel habe ich geändert. Danke!
Danke für den Hinweis, ich habe das Video nun besser eingeleitet und so eine Art Vorbereitung oder Warnung geschrieben. Auch den Titel habe ich geändert. Danke!
Super, vielen Dank fürs Anpassen!
Danke für die gute Sendung!
Ein Aspekt bleibt auch bei den hervorragenden und grad bei medizinischen Kongressen gern gebuchten Vortägen von Manfred Müller („Was können wir aus dem Cockpit lernen“) unerwähnt: Piloten unterliegen einer maximalen Überwachung: Voice und Flightrecorder, Controller die sofort Meldung erstatten wenn man durch die zugewiesene Höhe schießt, Computer, Co-Pilot usw. In der Intimität des OPs ist ein Anästhesieprotokoll schneller geschönt. Ich entsinne mich an einen Anästhesisten der mir den Vorwurf machte, ich hätte ihn an den Pranger gestellt weil er über 5h einen Pneumothorax intraoperativ übersehen hatte, dabei wurden am Morgen in der Röntgenkonferenz immer die Bilder des Tages gezeigt, so auch das Brustbild mit dem Pneumothorax.
Ich kenne beide Seiten, die des Anästhesisten und des Operateurs. Die Neurochirurgen sind bezüglich Fehlermanagement dem Piloten deutlich näher, vielleicht auch weil am nächsten Morgen die Röntgen Kontrollbilder in der Frühbesprechung gezeigt werden, da bleibt dann kein Raum mehr zum Deuteln.
Dazu ein Spruch vom alten Sauerbruch:
„Dem Chirurgen wird ein schlechter Ausgang in höherem Sinne zur persönlichen Schuld.
Tragbar wird diese Belastung durch Gewissenhaftigkeit in der Indikationsstellung, Beherrschung der Technik und ein berechtigtes Selbstbewusstsein.
Seine sicherste Stütze aber ist die Wahrhaftigkeit.
Der Chirurg, der deutelt, Fehlschläge zu entschuldigen sucht, verstößt gegen das vornehmste Gesetz seiner Zunft.
Ferdinand Sauerbruch“
Herzlichen Gruß
Michael Petermeyer
Hier noch ein guter Artikel zun genau diesem Thema:
„Risikomanagement und Sicherheitsstrategien der
Luftfahrt – ein Vorbild für die Medizin?“
https://www.online-zfa.de/media/archive/2003/07/10.1055-s-2003-41912.pdf
Gruß
MP
Hier hätte ich auch noch eine Betrachtung zur medizinischen Fehlerkultur aus dem Western Journal of Medicine wohlgemerkt schon aus dem Jahr 2000.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1070906/
Im Rettungsdienst gibt es schon seit über 10 Jahren ein funktionierendes CIRS in welchem kritische oder beinahe kritische Situationen beschrieben werden können. Leider können manche Menschen auch mit sachlicher Kritik nicht umgehen und fühlen sich persönlich angegriffen wenn man versucht über Fehler mit Ihnen zu sprechen. Da kommt es sehr stark auf das Team an. An der einen Wache wird ganz offen über CI gesprochen und auch niemand bestraft oder anders behandelt wenn er „zugibt“ einen Fehler gemacht zu haben, und es gibt Wachen an welchen nie über Zwischenfälle gesprochen wird und wenn man versucht einen offene Fehlerkultur einzuführen, wird man dafür gerne als Stichler, Ärgerstifter oder ähnliches angesehen.
Ein Buch von Peter Brandl zum dem Thema „Fehlerkultur in der Luftfahrt“ habe ich mal besprochen: https://www.tobiasmigge.de/2016/05/10/050-crash-kommunikation-die-kunst-des-klugen-handelns/