PC039 Natalie Grams Homöopathie neu gedacht

Was bleibt eigentlich von der Homöopathie übrig, wenn man die Globuli weglässt?

Ja gut, wir Schulmediziner haben es schon immer gewusst:
– In den homöopathischen Globuli ist kein Wirkstoff, alles viel zu verdünnt, da ist gar nichts mehr drin.
– Homöopathika sind teuer verbrämte Placebos.
– Homöopathen sind Quacksalber, die wirksamen Therapien im Weg stehen.
– Homöopathen schlagen aus der irrationalen Angst ihrer Patienten vor richtigen Medikamenten Profit.

So weit, so einfach. Aber warum sind die Patienten dann eigentlich so verrückt nach Homöopathie? Warum vertrauen viele sehr viel mehr auf ihren Homöopathen als auf ihren Allgemeinarzt, Psychiater oder Psychotherapeuten?
Im aktuellen PsychCast unterhalte ich mich mit der Ärztin Dr. Natalie Grams, die bis vor kurzem in Heidelberg eine sehr erfolgreiche eigene Praxis für Homöopathie betrieben hat. Doch mit den Jahren ging ihr die Frage, welches Wirkprinzip nun wirklich hinter der Homöopathie steht, nicht mehr aus dem Kopf. Um der eigenen „intellektuelle Redlichkeit“ willen machte sie sich daran, dem Wesen der Homöopathie auf den Grund zu gehen.

In unserem Gespräch beschreibt Natalie Grams, wie eine homöopathische Anamnese abläuft, wie das passend scheinende Präparat ausgesucht wird und wie der Ablauf der homöopathsichen Behandlung aussieht. Dabei geht es nicht darum, Werbung für eine unwissenschaftliche Methode zu machen. Aber es ist doch interessant, zu verfolgen, welche psychologischen Wirkfaktoren vielleicht dazu beitragen könnten, dass so viele Patienten sich so gut aufgehoben fühlen bei einem Homöopathen und letztlich auch häufig über Verbesserungen berichten. Auch sprechen wir über die Gefahren der Homöopathie, insbesondere die Gefahr, wirksame Methoden nicht anzuwenden und eine falsche Heilserwartung an den Homöopathen aufzubauen.

Natalie Grams hat ihren Weg von der überzeugten Homöopathin zur kritischen Zweiflerin in ihrem sehr lesenswerten Buch „Homöopathie neu gedacht“ beschrieben. Wer sich für das Thema Homöopathie interessiert oder wer mitverfolgen will, wie Natalie Grams ihr eigenes Paradigma verändert, sollte es unbedingt lesen.

Ihr könnt das Gespräch entweder wie üblich als Audio-Datei anhören, oder einen Mitschnitt des Skype-Telefonats hier als Video sehen. Viel Spaß dabei!

6 Gedanken zu „PC039 Natalie Grams Homöopathie neu gedacht“

  1. Sehr gute und wichtige Diskussion zur Homöopathie, die vor Augen führt, wie die erst mal so harmlos und sanft erscheinende Methode doch sekundär zu erheblichen Schäden führen kann. Einfach nur dadurch, dass zu lange dieser inhaltsleeren „Medikation“ vertraut wurde und sinnvolle Therapien unterbleiben. Mitunter kann dieser Zeitverlust im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden. Also von wegen harmlos …

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  2. Es ist ein Phänomen. Die Alltagsrationalität, die uns veranlasst, die Brötchen beim Bäcker zu kaufen und das Auto in die Meisterwerkstatt zu bringen, scheint irgendwie auf einem bestimmten Gebiet nicht zu funktionieren: Ausgerechnet auf dem der eigenen Gesundheit. Psychologisch gesehen, mag es sein, dass es hier um eine „Internalität“ geht, um einen selbst, wo man glaubt zu wissen, was das Beste sei. So wie der Autoschrauber, der die Beziehung zu seinem Auto so „internalisiert“ hat, dass er den Wagen im Zweifel kaputtrepariert.
    Die fehlende Rationalität beim Umgang mit Gesundheit hat aber gerade hier bei uns auch ganz handfeste Gründe. Der Gesetzgeber hat den unverzeihlichen Fauxpas begangen, die Profession des „Heilpraktikers“ ohne Hinterfragen der realen Bedingungen mit einem Gesetz von 1939 (das mitnichten eine „Adelung“ der HP sein sollte, vielmehr der erste Schritt zu einer Abschaffung jeglicher Laienheilung) einfach im Raum stehen zu lassen. Und für sein Nichtstun in dieser offensichtlich unhaltbaren Sache dann anzuführen, die Behandlung sei doch so beliebt… Klassischer Zirkelschluss.
    Noch viel schlimmer ist es bei der Homöopathie. Ungeachtet der nicht bestreitbaren Unwirksamkeit wird sie vom Gesetzgeber per „Binnenkonsens“ auch noch ins öffentliche Gesundheitssystem aufgenommen, und das auch noch unter Befreiung von jeglichem Wirkungsnachweis. Zudem hat der Gesetzgeber es auch noch für richtig gehalten, seit 2012 den Kassen die Übernahme der Homöopathie als Satzungsleistung zu gestatten.
    Wundert sich da jemand, auch und gerade auf der psychologischen Ebene, wenn die Klientel sich durch so etwas, durch die Adelung seitens des Gesetzgebers, auch noch bestärkt fühlt in dem schmetterlingserfüllten Blümchenuniversum, als das die Homöopathie -mit ihr ebenso andere „Methoden“- allseits präsentiert wird? Steht doch im Gesetz – muss doch in Ordnung sein!
    Um wieder auf die Psychologie zurückzukommen – positive Verstärkung von Falschannahmen auf breitester Front.

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  3. „Ich hatte die große Hoffnung, die Homöopathen zu erreichen… und wusste nicht, was für ein sektenartiges Gebäude das ist. Ein Dialog ist nicht möglich.

    Viele Patienten wissen nicht, was Homöopathie ist.“

    Vielen Dank, dass Sie sich dafür einsetzen, das zu ändern, Fr. Dr. Grams! Ein sehr interessantes und aufschlussreiches Gespräch.

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  4. Ich bin froh, dass es heutzutage möglich ist, sich als Patient, dem sein Körper wichtig ist, selbst entscheiden zu können, von wem und wie man sich behandeln lässt!

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