PC035 Neuroleptika: die Suche nach dem kleinsten Übel

Montag, 19. Dezember 2016

In der fünfunddreißigsten Ausgabe des PsychCast erklärt Jan, wie man die Wahl für ein Neuroleptikum trifft. Neuroleptika, auch Antipsychotika genannt, sind Medikamente gegen Psychosen, die u. a. wahnhaftes Erleben, Paranoia und Halluzinationen erzeugen können. Was ihre Therapie mit Blumen gießen zu tun hat, erfahrt Ihr in der Sendung.

Wir haben versucht darauf zu achten, dass selbst Tante Lisbeth halbwegs versteht, warum man die eine, richtige Tablette wahrscheinlich nie findet.

Alles ist eben ein Kompromiss, diese Podcast-Folge auch.

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18 Gedanken zu „PC035 Neuroleptika: die Suche nach dem kleinsten Übel“

  1. Hallo ihr beiden,

    vielen Dank für die interessante Folge!

    Ich habe bis vor einiger Zeit als Pflegekraft auf einer interdisziplinären Intensivstation gearbeitet, wo man ja nicht selten mit deliranten, also akut psychotischen Patienten zu tun hat. Auf der Station war es üblich, dieses Delir mit 3 bis 4 mal 1 mg p.d. Haloperidol* zu behandeln, gelegentlich auch mit Tagesdosen bis 15 mg. Ich habe mich in meinen Diensten bemüht, wenigstens das „viel hilft viel“-Prinzip beim Haldoleinsatz zu durchbrechen und nebenwirkungsärmere Alternativen (Risperidon) ins Spiel zu bringen (von nichtmedikamentöser Delirprophylaxe wollen wir bei pflegerischen Betreuungsschlüsseln von 3:1 bis 4:1 gar nicht reden).

    Wenn ich mich mal durchsetzen konnte, dann war die antidelirante Wirkung von Risperdal nach meiner Erfahrung nicht schlechter als bei einem Typikum, aber in den Köpfen der Oberärzte scheint die Regel Delir = Haldol irgendwie zementiert zu sein. Fatalerweise ‚vererbt‘ sich sowas dann im Stress des Alltages ganz schnell an die nächste Generation von Ärzten, die dann beim Psychopharmakaeinsatz genauso unreflektiert vorgehen.

    Würde mich freuen, zum Thema Delir und Neuroleptika eure Einschätzung zu hören.

    Viele Grüße
    Jan

    *) Haldol natürlich fast immer i.v., schließlich ist man auf der Intensivstation; von QT-Verlängerungen und Torsade-de-pointes-Tachykardien in diesem Kontext hat man aber natürlich keine Ahnung. Rant ende 😉

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  2. Jan sagte, dass nur 0,5 % der Bevölkerung eine Psychose bekommen . Das stimmt meines Wissens nicht. Ohne erbliche Vorbelastung ( habt ihr vergessen) sind es 1-2%. Bei Vorbelastung summiert es sich rasch auf und man findet richtige „Psychosefamilien“. Ihr habt auch wenig über die „Minussymptomatik “ der Patienten gesprochen, unter der sie sehr leiden. Ihnen brechen ganze Teile des Denkens weg.
    Zum Risperidon: ich sehe leider mitunter schon Gewichtszunahme und auch Blickkrämpfe. ( was schade ist)
    Quetiapin wird wie ein Bonbon gegeben. Bei Borderlinern , bei Psychosen und bei Depressionen. Ich finde, es ist an der Zeit, das Medikament neu zu hinterfragen.
    Dennoch: Vielen Dank für euer Podcast.❤️

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    • Es gibt studien dass bei ausgeprägter OCD bei AN olanzapin grübel- und bewegungszwänge abmildert. Ich persönlich kenne einige die quetiapin off label gut vertragen.

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  3. Dass Risperidon keine Müdigkeit oder Gewichts Zunahme macht möchte ich doch hinterfragen.
    Auch das Wachstum der männlichen Brüste scheint gehäuft vor zu kommen.

    Auch der Verlust von Gehirn Zellen unter Neuroleptika ist ja eine ständige Diskussion.

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    • Moin, dem würde ich mich anschließen wollen, dabei aber einschränken, dass es sich um eine unsystematische Beobachtung handelt.
      In der KJP wird Risperidon oft (u. U. zu oft) bei einer Neigung zu impulsivem aggressivem Verhalten eingesetzt. Dann in Dosierungen von 0,25 – 1mg 1-3/d je nach Symptomatik. Zugelassen ist die Medikation für sechs Wochen, oft wird es aber deutlich länger gegeben. Auch bei diesen niedrigen Dosierungen ist oft eine Gewichtszunahme feststellbar und in der KJP-Community gibt es eine Diskussion, ob die möglichen metabolischen Folgen später im Leben im Verhältnis zum Nutzen stehen.
      Leider entsteht auch gelegentlich eine Dynamik, die dazu führt, dass bei einer höheren Frequenz oder Amplitude von herausforderndem Verhalten die Dosis erhöht wird, anstatt die Lebensumstände zu analysieren.
      Deutlich zu beobachten ist auf jeden Fall oft die Gewichtszunahme.

      Und: Tolle Sendung auch meine Oma weiß jetzt Bescheid.

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  4. Und das soll den Lesern natürlich nicht vorenthalten werden.

    Zitat: Vergleichen lässt sich das mit einem zu schnellen Auto: Natürlich wird es langsamer, wenn man in die Reifen schießt. siehe: http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/article/926708/60-jahre-stillstand-psychiatrische-therapie-tritt-stelle.html

    und das natürlich auch nicht
    Zitat: Wer zentrale Funktionsbereiche ausschaltet, reduziert damit auch psychische Symptome. Dies sei jedoch meilenweit von einer spezifischen Wirksamkeit entfernt, wie sie etwa Insulin entfalte.

    http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/depressionen/article/926226/kritisch-hinterfragt-bringen-psychopharmaka.html

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  5. Hey, danke für die Folge, sehr interessant und informativ, aber eine kleine Frage hab ich: Wieso erwähnt ihr in der Castfolge Aripiprazol nicht?

    Ich selbst bin von Aripipazol überzeugter als Risperidon, zumal so gut wie keine Nebenwirkungen im Vergleich. M. M. nach besser zur Rezidivprophylaxe, wird aber auch nicht von jedem gut vertragen..aber ist ja bekanntermaßen bei allen AP so..;)

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  6. Hallo Ihr Zwei,

    habe wieder sehr interessiert eurer Folge gelauscht.
    Mir war nicht bewusst, dass es Psychopharmaka gibt, bei denen man wirklich davon sprechen kann, dass man durch sie „0“ zunimmt. Meine psychiatrische Laufbahn als Patient ist schon etwas länger und all die Mitpatienten, die mir begegneten klagten über Gewichtszunahme. Deshalb beschränke ich mich ausschließlich auf Bedarfsmedikation, da ich bereits übergewichtig bin.
    Im Alltag klappt dies auch sehr gut. In Krisenzeiten denke ich aber schon, dass mir eine regelrechte Medikation das ein oder andere Tief gerade was den Antrieb angeht erleichtern könnte.
    Woran erkenne ich ein Medikament von dem man definitiv sagen kann, dass man davon „0“! zunimmt?

    Viele Grüße
    Moni

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  7. Vielen Dank für die Folge über Neuroleptika. Zuvor habe ich auch schon Eure Folge über Antidepressiva gehört und möchte nun die Gelegenheit nutzen doch eine, meiner Meinung nach, wichtige Kritik anzubringen: Insbesondere wenn man über Psychopharmaka spricht, sollte es zum guten Ton gehören zu Beginn seine Interessenkonflikte offen darzulegen. Insbesondere als Leiter einer Klinik und Herausgeber eines Fachbuches zur Psychopharmakotherapie würde es mich schon interessieren wie die Verbindungen zur Industrie sind – umso mehr, da Du im Antidepressiva Podcast Cymbalta mehrfach erwähnt hast und im jetzigen Podcast Risperidon deutlich (und meiner Meinung etwas beschönigend) hervorgehoben hast. Mit Honoraren von Janssen-Cilag oder Lilly bekämen die Podcasts ein gehöriges „Geschmäckle“. Die Herausgabe eines Buches stellt per se übrigens auch schon einen Interessenkonflikt dar.
    Inhaltlich habt ihr mit der Neuroleptischen Potenz so ein bisschen was durcheinander bekommen – dieser Begriff bezieht sich nur auf die konventionellen Neuroleptika; Quetiapin passt in diesem Zusammenhang nicht rein.

    Dennoch: Ich fand den Podcast wieder sehr anregend, macht weiter so!

    P.S.:
    Interessenkonflikte: keine

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  8. Hallo,
    ich wollte fragen, ob überhaupt ein Unterschied gemacht wird zwischen den Medikamenten zur Akutbehandlung und denen, die jahrelang zur Prophylaxe eingenommen werden? Ich meine, von 2 Wochen Olanzapin werde ich nicht gleich dick, aber was ist nach 2 Jahren? Von 2 Tagen Haloperidol bekomme ich eventuell keine EPS, was ist nach 20 Jahren? Gibt es NL, die für Langzeitanwendungen besser verträglich sind als andere, werden Medikamente unter diesen Gesichtspunkten da auch umgestellt oder wird lediglich die Dosis etwas angepasst?

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    • Meines wissens ist state of the art zunächst ein atypika, sollte es nicht gründe für ein typika geben. Bei starken nw kann gewechselt werden. Und ja es gibt studien über langzeitverläufe. So ist haloperidol aus der psychiatrischen und internustischen notfallmedizin kaum wegzudenken (delirante, maniforme oder akut psychotische zustände (, weil hier auf die eps als nw nicht zu achten ist. Bei langfristiger einnahme eben atypika vor typika, zumal haldol eben im ggsatz zu quetiapin hochpitent ist.

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  9. Hallo wie kann man denn behaupten dass risperidon „null zunahme“ macht? Sorry #notsorry aber ich hab euren podcast gefunden in der Hoffnung, mich gut und ausreichend zusätzlich informieren zu können. Bei solchen Aussagen muss ich das dann ja doch in Zweifel ziehen. Ne erklärung wäre fein, am besten mit Vergleichsstudie,
    Euer Lischen Müller

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  10. Was ist mit der Langzeitwirkung der Hirnschrumpfung? Warum erwähnt ihr das denn gar nicht?

    Dass immer mehr Neuroleptika verschrieben werden, ja kann das nicht auch an den Interessen der Pharmaindustrie liegen? Je mehr Neuroleptika es gibt, um so mehr Verordnungen derselben geschehen.

    Dass Quetiapin bereits bei Depression und Schlafstörungen verordnet wird und das gar nicht mal niederdosiert und dann noch über viele Jahre, das ist doch eigentlich ein Skandal.

    Ist das nicht wie mit einer Autobahn? Wenn es sie gibt, dann erhöht sich auch der Autoverkehr, einfach weil es möglich und bequem ist.

    Diese Aspekte vermisse ich.

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